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Europäische Gedanken und erlesene Speisen

24.10.2019

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Krönungsmahls genießen die schöne Atmosphäre des historischen Rathauses zu Aachen. Foto: Andreas Herrmann

VON HANS-PETER LEISTEN UND SARAH-LENA GOMBERT

AACHEN Es war ein in jeder Hinsicht genussvoller Abend: Beim Krönungsmahl im Aachener Rathaus, bei dem es erstklassiges Essen und erstklassige Musik gibt, wirbt Frankreichs Botschafterin Anne-Marie Descôtes für Austausch zwischen den Nationen. Und Georg Helg wirbt für den Aachener Rathausverein.

Der Saal in dezentes Licht getaucht, die Bühne mit einer Mischung aus modernen und historischen Illustrationen gestylt, davor ein Rednerpult, ein Flügel und zahlreiche festlich gedeckte Tafeln – das sind die äußeren Zutaten für das Aachener Krönungsmahl. Seit 17 Jahren altbewährte und verlässliche Komponenten. Die Variablen sind jeweils andere: das edle Essen, die gestaltenden Musiker und vor allem die Gastredner. 2019 war es eine Gastrednerin, der der inhaltliche Akzent im Krönungssaal des Rathauses vorbehalten war: Anne-Marie Descôtes, Botschafterin Frankreichs in Deutschland.

Descôtes trug ihre Rede, in der sie die Frage aufwarf, ob Europa mehr konstruktive Konfrontation brauche, ruhig und mit Besonnenheit vor. „Wir befinden uns in Europa in einer ambivalenten Situation“, sagte sie im Hinblick auf nationalistische Bewegungen in den Mitgliedsstaaten und auf die „Welt um uns herum“, die „immer beunruhigender und brutaler“ werde. Zwar sei die Partnerschaft zwischen den EU-Staaten, insbesondere die zwischen Frankreich und Deutschland, etwas weiter gediehen. „Jedoch sind diese Fortschritte angesichts der internationalen Turbulenzen nicht ausreichend.“

Die Französin erteilte, so wie es in den vergangenen Jahrzehnten im Krönungssaal fast alle Redner taten, dem Nationalismus in Europa eine klare Absage. „Wir brauchen ein stärkeres und souveräneres Europa“, sagte sie und forderte beispielsweise eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Weiterhin gelte es, Russland, das wieder „weltpolitische Ambitionen“ zeige, deutlich zu machen, das sein Partner Europa sei und nicht etwa China. Den Klimawandel nannte Descôtes als weitere Herausforderung. Neue Akteure wie etwa „Fridays for Future“ oder die „Extinction Rebellion“ nannte sie explizit – und da unterschied sie sich von anderen Rednern etwa beim Karlspreis – als Bewegungen, die es zu berücksichtigen gelte. Mit Besorgnis habe sie zur Kenntnis genommen, dass Donald Trump beim G7-Gipfel in den USA im kommenden Jahr das Thema Klimawandel nicht auf die Tagesordnung setzen wolle.

Für musikalischen Hochgenuss sorgten unter anderem Katharina Hack (Flügel) und Anouchka Hack (Violoncello) von der Deutschen Stiftung Musikleben. Foto: Andreas Herrmann

Auch sei beim G20-Gipfel in Saudi-Arabien, der 2020 stattfindet, ebenfalls nicht viel in dieser Hinsicht zu erwarten, „da Saudi-Arabien der Thematik wenig Bedeutung beimisst“. Diese Feststellungen seien nicht pessimistisch, sondern realistisch. Und keinesweg dürften sie die Auswirkung haben, dass man aufgebe. „Ganz im Gegenteil: Es beweist, dass der Europäischen Union eine ganz entscheidende Rolle zukommt, denn die Erwartungen der Menschen, insbesondere der jungen Generation, sind sehr hoch.“

Vor all den Herausforderungen, seien sie nun politisch oder klimatisch, stünden Frankreich und Deutschland gemeinsam. All die Schwierigkeiten – da seien sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel einig – würden in den kommenden Jahren eher größer als kleiner. Und darum müsse man sich auch in Zeiten, in denen nicht alles rosig sei, miteinander auseinandersetzen. „Wir dürfen den Streit nicht fürchten! Wir müssen uns noch mehr austauschen und noch mehr streiten“, forderte Descôtes und bekam vom Aachener Publikum für ihre Rede viel Applaus.

Die Diplomatin setzte mit ihrer unaufgeregten Rede in gewisser Weise das Frankreich-Jahr in Aachen fort. „Sie ist der Anknüpfungspunkt an den Aachen-Vertrag im Januar und die Partnerschaft mit Frankreich beim CHIO“, unterstrich Marcel Philipp am Mittwochabend. Dies tat er natürlich als Oberbürgermeister der Stadt, fast noch mehr aber als Vorsitzender des Rathausvereins. Zu dessen Gunsten wird jährlich das Krönungsmahl gefeiert, das einen bemerkenswerten Spendenbetrag in die Kassen des Vereins spült. Gefeiert wird in Erinnerung an die Krönung Karls V. im Jahr 1520. Die Bevölkerung profitiert indirekt von dieser Tradition, denn die Gelder, die der Rathausverein akquiriert, werden möglichst umgehend in Sanierungsmaßnahmen investiert.

Zur Zeit profitieren die Herrscherfiguren an der Marktfassade vom Engagement, denn nach der Majes­tas Domini-Darstellung über dem Hauptportal rücken die Steinmetze jetzt den Verschmutzungen weiterer Herrscherdarstellungen auf die steinerne Pelle. Georg Helg, stellvertretender Vorsitzender des Vereins und Moderator des Abends, erklärte erfreut, dass sich bereits mehrere Sponsoren gefunden hätten, die in Kooperation mit dem Verein die Sanierung finanzieren. Zum Unterstützerkreis gehört die Firma Babor genauso wie das Ehepaar Schultz (DSA-Systeme), die gemeinsam mit der Firma Pro Idee auch dafür sorgen, dass vom Krönungsmahl ein erkleckliches Sümmchen übrig bleibt.

Das Fest gewinnt aber sein Niveau nicht zuletzt durch die musikalischen Darbietungen ganz besonderer Talente, die dank der Deutschen Stiftung Musikleben aus dem kulinarischen Event auch ein brillantes kulturelles machen. Die etwas älteren Talente Katharina Hack (Jahrgang 1994, Flügel) und Anouchka Hack (1996, Violoncello) begeisterten die Zuhöhrer ebenso wie Johann Zhao (2003, Flügel) und der erst zwölfjährige Fabian Johannes Egger an der Querflöte.

Am Ende verließen die über 200 Gäste, bestens versorgt durch die Gastronomie des Hotels Pullmann Quellenhof, den Krönungssaal und wechselten in den Weißen Saal zum abschließenden Nachtkaffee. Viele werden gewiss im nächsten Jahr wiederkommen. Denn dann jährt sich die Krönung Karls V. zum 500. Mal und der Rathausverein dürfte eine besondere Mischung aus kulinarischer, instrumentaler und rhetorischer Kunst kredenzen.

Mit freundlicher Unterstützung der Aachener-Zeitung
Quelle: Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten