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Europas Geist im Stresstest

20.11.2018

1,5 Millionen Euro an Spenden hat der Rathausverein Aachen seit 2001 gesammelt. Eine Leistung, die sich nicht nur sehen lassen kann, sondern deren Wirkung man in der Tat an vielen Stellen des historischen Rathauses sieht und hört. In Form von restaurierten Bildern und Fassadenelementen, im Eingangsfoyer und in den modern gestalteten Kronleuchtern oder in Form der neuen Audioschleife, die Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen den kompletten akustischen Zugang zu den Angeboten des vornehmsten Bürgerhauses der Stadt ermöglicht. Leistungen, auf die Georg Helg am Dienstagabend nur allzu gerne hinwies, als er die 245 Gäste des jüngsten Krönungsmahles begrüßte. Alle Jahre wieder lädt der Verein zu diesem Fest am 23. Oktober, um an das besondere Mahl von Karl V. 1520 zu erinnern. Ein wunderbarer Anlass, um bei feinen Speisen und Getränken, noch feinerer Musik, Gesprächen und Festvorträgen den Bogen zwischen Historie und Zukunft zu schlagen. Denn die Zukunft bedeutet für den Rathausverein jede Menge Arbeit, die nur bewältigt werden kann, wenn der Spendenfluss dank Aktivitäten wie dem Krönungsmahl nicht versiegt. Rund 40 000 Euro dürfte auch das diesjährige Fest dank der Sponsoren Babor, Pro Idee und DSA einbringen. Damit können nicht nur weitere Figuren an der Marktfassade saniert, sondern auch Gemälde restauriert werden. In der Tat wurden die Gäste am Dienstag nicht nur kulinarisch durch den Quellenhof verwöhnt, sondern bekamen dank der Deutschen Stiftung Musikleben auch musikalische Impressionen höchster Güte kredenzt. Gina Keiko Friesicke (Jahrgang 2002), Julia Dietrich (2004) und Marie-Rosa Günter (1991) zeigten an Violine, Harfe und Klavier ihr unglaubliches Talent, das im Rahmen der Stiftung weiter gefördert wird.

Saarländischer Höhepunkt

Den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung bildet aber stets die Festrede – in diesem Jahr von Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, die sich einmal mehr als überzeugte Europäerin präsentierte. Die ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlandes und Trägerin des Ordens wider den Tierischen Ernst gab sich sehr nahbar, begrüßte viele der Gäste persönlich mit Handschlag. In Aachen, betonte sie, fühle sie sich sehr wohl, weil es so nah an Maastricht liege. Sie zog Parallelen zwischen der Euregio und ihrer Heimat, wo man eine ganz besondere Beziehung zu den französischen Nachbarn pflege. Solchen Grenzregionen schreibt Kramp-Karrenbauer einen ganz besonderen Stellenwert zu, plädierte dafür, dass sie innerhalb der EU Pilotregionen sein sollten. Sie seien die Nähte in einer Patchwork-Decke und Vorbild für einen Staatenbund, der sich auf der einen Seite auf seine Geschichte und die gemeinsame Bewältigung von alten „Erbfeindschaften“ berufen und eine Antwort geben kann auf die Probleme der Weltpolitik. „Wir müssen erkennen, dass die Systemfrage in der Welt auch nach dem Ende des Kalten Krieges nicht entschieden ist“, sagte sie mit Blick auf die Entwicklung der Vereinigten Staaten im Westen und der Volksrepublik China im Osten. „Es gibt den weltweiten Systemwettbewerb, und wir brauchen darauf eine europäische Antwort.“ Denn die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass auch das transatlantische Freundschaftsbündnis einem Stresstest unterzogen würde. Nicht nur wegen des Präsidenten, sondern auch wegen des Umgangs mit dem Thema Datenschutz durch die großen Internetkonzerne. Dem gegenüber stehe China, wo über die Sozialen Netzwerke nun auch soziale Kontrolle auf die Bevölkerung ausgeübt werde. Ein Staat, der alles weiß, und jederzeit sanktionieren kann, wenn ihm etwas nicht passt. „1984 von George Orwell ist ein Kinderbuch dagegen.“ Auch die innereuropäischen Probleme, sei es nun die Auseinandersetzung mit den Oststaaten in der Flüchtlingsfrage oder die finanziellen Probleme der südlichen Mitgliedsstaaten, gelte es im Blick zu behalten. Elementar sei dafür die Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich. Um die Idee von Europa nicht im Kern zu betrügen, so Annegret Kramp-Karrenbauer, gelte es, innerhalb der Staatengemeinschaft die europäischen Werte wie Rechtstaatlichkeit und freie Presse zu verteidigen und ebenfalls dafür zu sorgen, dass die EU über eine gemeinsame funktionierende Außengrenze verfüge. Sie erhielt anhaltenden Applaus für ihre Ausführungen, genau wie die Akteure in zweiter Reihe aus Gastronomie und Organisation und Protokollchefin Claudia Wellen. Auch sie machten das Krönungsmahl zum Erfolgsmodell für den Erhalt des Rathauses.

(mit freundlicher Genehmigung der "Aachener Zeitung")