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Hochgenuss beim 15. Krönungsmahl im Aachener Rathaus

02.11.2017

Eher am Rande der Veranstaltung betrachteten ein paar Gäste den Kapellenerker im Krönungssaal des Rathauses – und waren doch ganz nah dran am Sinn des Abends. Denn dass die Reichskleinodien inzwischen wieder bestens präsentiert werden können, ist ein Verdienst des Rathausvereins Aachen. 

Nur eines von vielen Projekten, das der Verein im vergangenen Jahr angegangen ist oder fertiggestellt hat. Und dazu benötigt er Geld. Geld, das er zum Beispiel seit 15 Jahren über das Krönungsmahl akquirieren kann, das auch am Montagabend 215 Gäste in den Krönungssaal gelockt hatte. Sie erlebten eine bewährte Mischung aus musikalischen und kulinarischen Hochgenüssen und vor allem politischen Denkanstößen, die in der Regel im Europa-Kontext serviert werden. In diesem Jahr: über Friedrich Merz und seine Thesen zu „Europa und die USA – dauerhafte Wertegemeinschaft oder Zweckbündnis auf Zeit?“

 

Das Krönungsmahl ist nicht nur eine hervorragende Geldquelle für die ehrenamtliche Arbeit des Rathausvereins. Der hat zum Beispiel auch das Goldene Buch digitalisiert, die Rathaus-App modernisiert und mit großer Hilfe der Familie Neumann-Esser die Majestas-Trilogie über dem Rathausportal saniert. Das Fest rückt auch die Tradition des Hauses als Krönungsstätte über einen Zeitraum von 600 Jahren in den Mittelpunkt, deren Höhepunkt die Krönung Karls V. am 23. Oktober 1520 war – dem Tag, an dem seit 15 Jahren das Krönungsmahl gefeiert wird.

„Der musste sich damals das Geld von den Fuggern leihen, die es anschließend in Form von politischen Zugeständnissen zurück forderten. Das ist bei Ihnen anders“, richtete OB Marcel Philipp als Vorsitzender des Rathausvereins das Wort an die Gäste. Im Gegenteil: Dank des Sponsorings der Firmen Babor, Pro Idee und DSA bleibt stets ein fünfstelliger Betrag für die Vereinsarbeit übrig. Und da die Deutsche Stiftung Musikleben traditionell junge Ausnahmetalente für den künstlerischen Part in den Krönungssaal sendet, war auch der musikalische Rahmen auf höchstem Niveau garantiert.

In seiner Ansprache analysierte Friedrich Merz – einst Fraktionschef der Union im Bundestag, heute Wirtschaftsanwalt und in zahlreichen großen Aufsichtsräten aktiv – das Verhältnis Deutschlands zu den USA seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten. Der sei als „Populist ohne Regeln“ kein isoliertes Phänomen, sondern vorläufiger Höhepunkt einer längeren politischen Entwicklung – unter anderem mit Nixons Watergate und Clintons Lewinsky-Affäre als Eckpunkten. Trumps Wahl sei insofern Ergebnis einer Wahl gegen das Establishment in Washington. Merz schilderte aber auch das amerikanische Volk als tief religiös und werteverhaftet. Es gebe viele Parallelen zu Europa: die Skepsis bis Ablehnung der traditionellen europäischen Werte, kumuliert in der Euro- und Flüchtlingskrise. Viele Folgen dieser Krise würden uns noch Jahrzehnte beschäftigen.

Beim Blick auf die Handelspolitik rückte Merz China in den Mittelpunkt. Beim Wirtschaftsforum in Davos habe sich allein der chinesische Präsident für eine Freihandelszone ausgesprochen. Während sich Europa und die USA mit sich selbst beschäftigten, erhebe China Weltansprüche: „Es gibt kein Vakuum, das nicht gefüllt wird.“ Merz machte aber auch Hoffnung. Amerika habe eine prowestliche Administration, die Gewaltenteilung funktioniere, und Trump sei bisher im Grunde nichts gelungen. Europa müsse gegenüber den USA geschlossen auftreten – sonst werde es zum Spielball der Interessen in der Welt. Den Nerv der Gäste im Rathaus traf er damit.

(mit freundlicher Genehmigung der "Aachener Zeitung")