
Die Schar der Gratulanten wollte beim Empfang zum 80. Geburtstag von Georg Helg (fast) kein Ende nehmen: OB Marcel Philipp würdigte das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Engagement Helgs. Dieser freute sich über die vielen Gäste und guten Wünsche – aus Aachen und ganz Deutschland, unter anderem von Parteifreund und FDP-Chef Christian Lindner. Foto: Andreas Herrmann
Von Manfred Kutsch
Aachen. In dem Moment befällt ihn eher so etwas wie Demut statt jenes herzhaften Gelächters, das man unter 500 anderen mühelos heraushören kann. „Ich empfinde dieses Alter als reines Geschenk, weil ich im Grunde schon über 70 Jahre tot sein müsste“, erinnert sich Georg Helg mit Schaudern an das Bombardement der Engländer auf sein Elternhaus am Ronheider Berg: „Ich flog nur noch durch die Luft.“ Die Familie rettete sich in den Wald.
Heute feiert der charismatische Ur-Öcher und liberale Freigeist seinen 80. Geburtstag. In der Tat sichtlich dankbar. „Nach Meinung meines Arztes kerngesund“, hält er inne. Und gesteht: „Bisher perlten die runden Geburtstage an mir ab, dieser gibt mir zu denken.“ Vier seiner geladenen Gäste für den heutigen Empfang im Rathaus sind in letzter Zeit gestorben: Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle, Goldschmied Prosper Brüderlin und ein weiterer persönlicher Freund.
Nicht lange kann unser Gespräch in Trübsal verharren – die Zeit drängt. Merke: Das bis 2020 gewählte Mitglied des Städteregionstages kommt pro Woche „locker noch auf zwölf Termine“, schätzt er. Stolz schwingt mit. „Der Schorsch“, wie ihn halb Aachen nennt, wirkt wie ein federndes Energiebündel in heimeligen Jeans und etwas zu stark tailliertem Hemd. Seine durchdringende Stimme kommt wie ein akustisches Symbol für die facettenreiche Schaffenskraft dieses Mannes herüber. Sie ist nicht nur unüberhörbar, sie hat auch viel zu sagen.
Spätestens seit 1965, als Georg Helg das elterliche Textilgeschäft in der Krämerstraße übernahm und das Modehaus bis zum Verkauf 1999 zu einer Marke im Stadtbild ausbaute. In jenen frühen 60er Jahren wurde die Grundlage seines Weges zum deutschen Liberalismus gelegt. Helg verband mit Adenauer „nur autoritäre Jahre und Strukturen“ und macht dies „am Thema fehlende Gleichberechtigung“ fest. Seine Antwort war der Einstieg in Erich Mendes FDP – und führte ihn über fünf Jahrzehnte des Engagements in Aachen bis heute in nie abreißende Gespräche mit den Spitzen der Bundespartei.
Schorsch Helgs Name ist eng verknüpft mit der erfolgreichsten Phase des AKV, dessen Prinz Karneval 1960 und vieljähriger Elferrat er war. Als Präsident von 1987 bis 1997 führte er als eloquenter Moderator die Festsitzung vom dritten Programm zurück in die ARD, mit bis zu neun Millionen Zuschauern. Zudem professionalisierte der leidenschaftliche Golfer den Verein mit der Installierung einer Geschäftsstelle, wirtschaftlicher Konsolidierung und der Übernahme der umfänglichen Sammlung Crous.
Seit 33 Jahren ist er mit seiner zweiten Ehefrau Sophie zusammen, die der Modekaufmann einst als Assistentin zum Einkaufen von Stoffen nach Verona mitgenommen hatte. Sie fanden den wahren Stoff ihres Lebens – nachts, im Ernst, unter dem Balkon von Romeo und Julia. Der Rest ist bis heute Liebe, Zusammenhalt und Patchwork pur: drei Kinder aus seiner ersten Ehe, eines aus ihrer, sechs Enkel.
Sie alle kennen jene Eigenschaft des Familien-Patriarchen zur Genüge: „Ehrlichkeit ist die für mich wichtigste Maxime im Leben. Ich weiß, dass ich es mir damit oft nicht leicht gemacht habe“, sagt er selber – und wundert sich jetzt, mit 80 Jahren, „dass mich mit zunehmendem Alter immer mehr Leute mögen“. Tusch. „Der Schorsch“ nimmt sich Zeit und Raum zum Lachen. Nicht nur das. Selbiges gilt auch fürs Lernen. Von 1983 bis 2000 besuchte der Bundesverdienstkreuzträger Vorlesungen am Historischen Institut der RWTH Aachen.
Bis heute forscht das um Europa besorgte Mitglied des Karlspreis-Direktoriums („Frieden ist für unsere Jugend, die nie Krieg erlebt hat, kein Wert mehr“) für eigene Publikationen. Insbesondere auch in seiner Funktion als Vizevorsitzender des von ihm mitbegründeten Rathausvereins, der jährlich 100 000 Euro Spenden erwirtschaftet. Allein Georg Helgs Idee eines „Krönungsmahles“ in 260-köpfiger Gesellschaft bringt knapp die Hälfte. Zum Vorbild hat das Event die pompöse Krönung von Karl V. Dessen ausschweifende Feierlichkeit liegt 2020 genau 500 Jahre zurück. „Das will ich auf jeden Fall noch erleben“, freut sich der Geburtstagsjubilar – natürlich königlich.
2020. Da war doch noch was? Richtig, in dem Jahr endet auch sein Mandat im Städteregionstag. Könnte sein, dass Georg Helg dann in Ruhestand geht.
(mit freundlicher Genehmigung der "Aachener Zeitung")