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„Europa ist in keiner guten Verfassung“

08.11.2015

Charmanter Conférencier und unermüdlicher Arbeiter für das Rathaus: Georg Helg führt wie immer souverän durch das Programm des Krönungsmahls. Die Gäste und Sponsoren danken es ihm mit circa 40 000 Euro, die die Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder für das Rathaus erbracht hat. Foto: Andreas Herrmann

 
Von Holger Richter (Aachener Nachrichten)

 

Aachen. Über seine Premiere wollte Marcus Danner nicht viel Aufhebens machen. „Ich kenne solche Veranstaltungen ja schon von meinen früheren Tätigkeiten“, sagte der neue Chefkoch des Quellenhofs nach dem 13. Krönungsmahl am Freitagabend, bei dem er gebeizte Fjordforelle, Filet vom Bachsaibling, geschmorte Lammhüfte und Mandelmousse mit Rotwein-Birnencoulis auftischte. „Alle Gänge sind so rausgegangen, wie ich mir das vorgestellt habe“, blieb der 39-Jährige bescheiden.

Dabei hätte der Nachfolger von Jeroen Rumpen allen Grund gehabt, stolz auf die Leistung seines Teams zu sein. Ebenso wie die drei Musiker Linda und Yuhao Guo aus Köln sowie Fabian Müller aus Bonn. Die drei Preisträger und Stipendiaten der Deutschen Stiftung Musikleben unterhielten die rund 200 Gäste im Krönungssaal zwischen den Gängen aufs Vorzüglichste mit Stücken von Ysaye, Ravel und Waxman. Über ein vorzügliches Ergebnis konnte sich schließlich auch Georg Helg als zweiter Vorsitzender des Rathausvereins und – neben Oberbürgermeister Marcel Philipp – Gastgeber des Abends freuen. Denn auch dieses Benefizessen erbrachte wieder rund 40 000 Euro, die für verschiedene Projekte im und am Rathaus eingesetzt werden.

Kein Stolz, keine Zufriedenheit

Auf den ersten Blick fiel beim Krönungsmahl nur der Festredner Dr. Werner Hoyer etwas aus dem Rahmen, denn seine Umschreibung Europas war nicht vorzüglich oder von Stolz und Zufriedenheit geprägt. „Europa ist in diesen Tagen in keiner guten Verfassung“, leitete der Präsident der Europäischen Investitionsbank seinen Vortrag mit dem Titel „Europas Krisen, Europas Chancen“ ein. Denn zum ersten Mal habe er das Gefühl, dass „Europa an der Vielschichtigkeit der derzeitigen Probleme ernsthaft Schaden nehmen könnte“, sagte er und nannte neben der bedrohten Sicherheit durch den Nahostkonflikt und die Situation in Nordafrika und in der Ukraine, dem Wettbewerbsdruck durch die Globalisierung auch den gefährdeten Zusammenhalt innerhalb Europas durch die Flüchtlingskrise, die für ihn auch eine „Vertrauenskrise gegenüber der eigenen Bevölkerung“ zur Folge hat.

„Wenn aus jeder Sachfrage eine Machtfrage zwischen den Institutionen wird, wenn aus jeder Debatte ein Wettbewerb um mediale Aufmerksamkeit wird, dann trägt das nicht dazu bei, die Menschen für Europa zu begeistern.“ Dabei sei genau das notwendig, denn: „Die Vorstellung, ein beliebiger Mitgliedstaat der Europäischen Union könnte die Auswirkungen dieser Krisen alleine besser meistern als in der Gemeinschaft, ist eine ebenso naive wie gefährliche Illusion.“ Hoyer ist der festen Überzeugung, dass alle Mauern und Zäune immer wieder überwunden werden. „Sie werden die Menschen nicht hindern, zu uns zu kommen.“ Daher müsse die bisherige Entwicklungspolitik nachhaltig neu justiert werden durch Unterstützung der Aufnahmestaaten Italien und Griechenland, Stärkung der Transitstaaten auf dem Balkan sowie Hilfe, in den Zielländern Deutschland, Schweden oder Großbritannien eine Integration zu ermöglichen.

(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der "Aachener Nachrichten")